Die Entwicklung des UKW-Rundfunks Teil1
Teil 1 : Zeitraum 1925 -1928,
Die Entwicklung des UKW-Rundfunks
Ein Artikel von Gerhard Bogner, Neu-Ulm aus der Funkgeschichte Nr.142 /2002
Digitalisiert 01/2008 von Thomas Günzel
Zeitraum 1925 -1928
Ultrakurze Wellen (UKW, [1]) von 3 m Wellenlänge dienten schon Heinrich Hertz Ende der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts zur Bestätigung der von Maxwell aufgestellten Theorien über elektromagnetische Wellen. Mit Hilfe eines Funkensenders wies er die Gesetze der Reflexion, Brechung und Polarisation zweifelsfrei nach, an eine praktische Anwendung dachte er dabei nicht [2].
Die erste Anwendung ultrakurzer Wellen geht auf Guglielmo Marconi zurück, der 1917 bei Carnavon mit einer weiterentwickelten, leistungsfähigeren Funkensenderanordnung bei einer Wellenlänge um 3 m eine Entfernung von 20 Meilen (32 km) überbrückte. Senderseitig hatte er, wie auch schon Hertz, mit einem zylindrisch-parabolischen Reflektor die Strahlungsleistung des Senders durch Bündelung beträchtlich erhöht.
1919 begann C. S. Franklin (Mitarbeiter der Marconi Company) bei Carnavon mit der Entwicklung eines Richtfunksystems auf einer Wellenlänge von 15 m, bei dem bereits Elektronenröhren Verwendung fanden. Ende 1922 war man nach anfänglichen Schwierigkeiten in der Lage, mit 300 Watt Strahlungsleistung eine Richtverbindung zwischen Hendon (bei London) und Birmingham (97 Meilen = 156 km) versuchsweise zu betreiben. Im Duplexverkehr konnte zu allen Tageszeiten eine gute Sprechverbindung erzielt werden. Die Richtantennen an beiden Endstellen verbesserten die Empfangslautstärke um den Faktor 200 [3].
Nachdem es amerikanischen Funkamateuren bereits um die Jahreswende 1921/22 mehrfach gelang, mit kleinen Sendeleistungen (ca. 1 kW) auf Wellen unter 200 m Telegrafieverbindungen zwischen den USA und England herzustellen [4], begannen um 1923 auch die namhaften Industriefirmen sich mit der Kurzwellen(KW-) Technik zu beschäftigen. Dies führte vor allem zur Konstruktion von speziellen Senderöhren, die bis herab zu 10 m Wellenlänge zuverlässig arbeiteten, z.B. der Type RS207 von Telefunken [5]. Gegenüber dem damals üblichen Langwellenbetrieb führten bei KW die inneren Kapazitäten zwischen Gitter und Anode zu hohen Blindströmen, denen die dünnen Gitterund Anodeneinschmelzungen der bislang benutzten Röhren nicht gewachsen waren und Glasbruch verursachten.
Erste Überlegungen zu einem UKWRundfunk Gedanken und grundlegende Versuche zur Einführung eines Rundfunks im Bereich der ultrakurzen Wellen (UKW) zwischen 10 m und 1 m gab es bereits in den zwanziger Jahren vor allem in Deutschland und den USA (letztere sind nur punktuell Gegenstand der Betrachtung). Anfang 1925 kommt der Wiener Physiker Franz Aigner zu dem Schluß, daß ein elektronisches Fernsehsystem, das eine Modulationsbandbreite von mindestens 1 MHz erfordert, nur auf Wellenlängen unterhalb von 60 m möglich ist. Wegen der damit in Zusammenhang stehenden technischen Probleme betrachtet er eine Realisierung zum damaligen Zeitpunkt für aussichtslos [6].
Eine Anregung zur Verwendung ultrakurzer Wellen für einen Fernseh-Rundfunk findet sich in einer Patentschrift von Telefunken von 1925, die sich auf die Bildübertragung mit Strahlenbündeln des quasioptischen Spektrums bezieht (es fehlt unterhalb einer Wellenlänge von 10 m die typische Fernwirkung der kurzen Wellen). In diesem Patent hatte Fritz Schröter den Wellenbereich zwischen 10 m und 1 m angegeben, wie er sich später als tatsächlich zweckmäßig erwies. Dieser Vorschlag enthielt bereits den Gedanken eines örtlich begrenzten Rundfunks innerhalb des geometrischen Sendehorizontes (Bild 1.1).
Dr. Fritz Schröter richtete sein Hauptaugenmerk auf Bildfunk und Fernsehen. Das von ihm zusammen mit Karolus entwickelte Bildfunksystem (Faksimile, "FAX") kam ab 1925 kommerziell zum Einsatz. Ab 1926 widmete er sich vornehmlich dem Fernsehen und ließ sich 1930 das Zeilensprungverfahren patentieren. Bis 1945 war F. Schröter Leiter der gesamten Forschung bei der TelefunkenGesellschaft für drahtlose Telegraphie m.b.H. ("Telefunken").
In Deutschland befaßten sich in der Anfangsphase vor allem Prof. Dr. Abraham Esau und seine Schüler und Assistenten u.a. mit der Erzeugung der ultrakurzen Wellen, ihrer Ausbreitung und der Prüfung auf Eignung für nachrichtentechnische Zwecke (Bild 1.2).
Dr. A. Esau übernahm nach einer siebenjährigen Industrietätigkeit bei Telefunken 1925 als Professor das neu eingerichtete TechnischPhysikalische Institut der Universität in Jena. In dieser Zeit umfaßte die Arbeit seines Instituts drei Hauptgebiete: Die Erschließung der Ultrakurzwellen für die Nachrichtentechnik und für medizinische Zwecke, sowie die Entwicklung von Material-Prüfverfahren.
Seit 1928 setzte er sich für den Aufbau eines UKW-Rundfunks ein. Sein Institut erarbeitete in Zusammenarbeit mit der Industrie und der Reichspost Grundlagen für den Aufbau eines auf Ultrakurzwellen gestützten Rundfunkund Fernsehsystems in Deutschland.
Beginn der UKW-Forschung
Zum Zeitpunkt, da A. Esau von Telefunken zur Universität in Jena wechselte, lagen bereits günstige Ergebnisse über in Nauen durchgeführte Versuche mit Wellen zwischen 15 m und 19 m vor [5]. Da mit diesen Wellen auch am Tage große Reichweiten zu erzielen waren, lag es für A. Esau nahe, zu noch erheblich kürzeren Wellen überzugehen und ihr Verhalten in Abhängigkeit von der Umgebung des Sendeund Empfangsortes, der Beschaffenheit des Zwischengeländes und der Atmosphäre näher zu untersuchen. Da es sich hier um ein noch nicht erforschtes Gebiet handelte, bedurfte es umfangreicher Vorarbeiten in Bezug auf die Technik von Sender, Empfänger und Antennen [7].
Erzeugung ultrakurzer Wellen mit Röhren
Vor allem unempfindliche Empfangsanordnungen (Detektorempfänger) erforderten für die Ausbreitungsversuche leistungsfähige Hochfrequenzgeneratoren. Die Erzeugung großer Hochfrequenzleistungen bereitete jedoch erhebliche Probleme, da es in Deutschland keine Senderöhren gab, die einen betriebssicheren und stabilen Betrieb unterhalb einer Wellenlänge von 10 m ermöglicht hätten. Darüber hinaus galt es, die theoretischen und praktischen Grundlagen für einen UKW-Sender größerer Leistung zu erarbeiten, wie er u.a. für nachrichtentechnische Zwecke erforderlich erschien. Ende 1925 gelang es, mit einem selbsterregten Sender bei 3 m Wellenlänge ungefähr 100 Watt HF zu erzeugen [12].
Sender hoher Leistung
Einer der ersten leistungsfähigen Sender machte von einer bei Schott & Gen. (Schott & Genossen fertigten schon im ersten Weltkrieg Elektronenröhren) entsockelten und mit dicken Elektrodenzuführungen versehenen Röhre des Typs RS 19 Gebrauch. Zwischen Anode und Gitter befand sich außerhalb der Röhre für 3 m Wellenlänge ein kurzer, 4 mm starker, auswechselbarer Drahtbügel L, der mit den Kapazitäten C, und C2 den eigentlichen Schwingkreis bildete (Bild 1.3).
Der Kondensator C2 hatte eine Kapazität von 30 cm (ältere Angabe von Kapazität: 1 cm = 0,9 pF) und benutzte ein Glasdielektrikum (Glasplattenkondensator, Hersteller: Schott & Genossen, Jena). Zur Ableitung des nicht unerheblichen Gitterstromes diente ein 1000-O-Widerstand R, der aus Glühlampen gebildet wurde. Die HF-Drosseln DrA und DrK waren Zylinderspulen (15 cm Länge, 3 cm Durchmesser, 30 Windungen). Für die Anodenspannung benutzte man Gleichoder Wechselspannung von 4 kV bzw. 3 kV. Bei Betrieb mit 500 Hz lieferte ein Motorgenerator (Umformer) über einen Transformator die Anodenspannung. An einer galvanisch angekoppelten Antenne D von ?/4-Länge erzeugte der Sender einen Antennenstrom von ca. 2 A (Hitzdrahtinstrument), was bei einem Strahlungswiderstand von 36,6 O einer abgestrahlten Leistung von ca. 150 W entsprach.
Die für eine maximale Energieausbeute günstigste Rückkopplung der Dreipunktschaltung (auch als Spannungsteileroder Hartley-Schaltung bekannt) wurde durch Verschieben des Anodenspannungs-Anschlußpunktes an dem Schwingkreisbügel bzw. durch Veränderung des Kondensators C2 vorgenommen [9].
Spannungsteiler- oder Dreipunktschaltung
Beim Übergang zu Wellenlängen unterhalb von 5 m mußten alle nicht dem Resonanzkreis angehörenden Schaltungsund Leitungs-Induktivitäten und -Kapazitäten vermieden werden, welche die Wellenlänge in unerwünschter Weise heraufsetzten und das Anfachen eine Schwingung erschwerten. Aus diesem Grund funktionierte auch die induktive Rückkopplungsschaltung Bild 1.4 a) nicht mehr. Wird hingegen die Rückkopplungsspule L2 Teil des Schwingkreises, entsteht die Schaltung Bild 1.4 b) (die Anodenspannungszuführung wurde der Übersichtlichkeit halber weggelassen). Da die beiden Spulen L1 und L2 die Katodenverbindung gemeinsam haben, können sie durch eine einzige Spule mit Anzapfung a ersetzt werden, Bild 1.4c).
Die in Bild 1.4 c) eingezeichneten Spannungspfeile (ea) und (eg) lassen erkennen, daß durch die Überkreuzung der Gitterund Katodenleitung die gegenphasige Lage der Wechselspannungen ea und eg erhalten bleibt. Weil die zur Selbsterregung erforderliche Gitterwechselspannung als Teil der gesamten Resonanzspannung von der Schwingkreisinduktivität abgegriffen wird, kam man zu dem Begriff "Spannungsteilerschaltung", oder wegen der 3 Anschlüsse am Schwingkreis zur "Dreipunktschaltung". Durch Umzeichnung von Bild 1.4 c) entsteht die elektrisch unveränderte Schaltung Bild 1.4 d).
Bereits 1926 war man am TechnischPhysikalischen Institut in Jena (TPI) in der Lage, bis zu einer Wellenlänge von 1,3 m herab betriebssichere selbstschwingende Sender zu bauen, wobei unter Benutzung von nur einer Röhre eine Leistung von mehr als 0,5 kW ausgestrahlt werden konnte [8]. Ein gittermodulierter Sender mit einer maximalen Telefonieleistung von 300 W (A3, Trägerleistung 700 W) stand Anfang 1928 für Versuche zur Verfügung. In dem selbsterregten Sender kam die Röhre RS207 II zum Einsatz [9].
Empfängerprobleme Audion-Empfänger
Erhebliche Schwierigkeiten traten bei der Herstellung eines empfindlichen Empfängers auf, der in der normalen (induktiven) Rückkopplungsschaltung (nach Meißner) nicht arbeiten wollte. Nach längeren Versuchen verwendete O. Cords vom TPI eine gegenüber dem Sender abgewandelte Dreipunktschaltung (beschrieben von E. H. Robinson in Experimental Wireless vom Dez. 1924). Durch die damit erreichte Entdämpfung konnte 1926 das Empfängerproblem vorläufig gelöst werden.
Der Schwingkreis des Audions bestand aus der Selbstinduktion L (Kupferband 10×1 mm, Durchmesser 120 mm) und einem Abstimmkondensator CKr (veränderbar von 6 20 cm). In der Gitterzuleitung lag eine typische Audionkombination, bestehend aus dem Widerstand Rg (5 MO) und einem Glimmerblockkondensator Cg von 200 cm. Die Anodenspannung wurde über einen drehbaren Kontaktarm (Schleifer) dem Kupferbandbügel L zugeführt. Da der Kontaktarm des Schleifdrahtvariometers hochfrequenzmäßig auf Nullpotential lag, waren die Bedingungen der Gegenphasigkeit erfüllt. Die Metallplatte M diente u.a. der Feineinstellung der Wellenlänge.
Die Stellung des Abgreifpunktes a (Kontaktarm), der die Gesamtinduktivität in zwei Teile teilte, bestimmte den Rückkopplungsfaktor. In dem Schwingaudion, das durch steckbare Zusatzspulen den Bereich zwischen 3 und 6 m Wellenlänge abdeckte, fand eine Oxidfadenröhre RE 86 Verwendung. Mit S ist die Röhrenfassung und mit W der einstellbare Vorwiderstand für die Audion-Röhre bezeichnet. Dem rückgekoppelten Audion konnten drei Niederfrequenzstufen nachgeschaltet werden [11].
Superregenerativ bzw. Pendelrückkopplungs- Empfänger
Den ersten wirklich empfindlichen Empfänger für die Versuche des TPI entwickelte E. Busse 1927. In der Audionstufe gelangte die schon vorgestellte Dreipunktschaltung zur Anwendung (obere Röhre in Bild 1.71). Die einstellbare Entdämpfung (Rückkopplung) des Audionschwingkreises I erfolgte durch eine besondere Anordnung eines gleichdimensionierten und abstimmbaren Schwingkreises II im Anodenstromkreis der Audionröhre. Liegt der Abgriffpunkt (Pfeil-Verbindung) im neutralen Punkt des Audionschwingkreises I, so schwingt die Stufe dauernd und setzt nur dann aus, wenn der Kreis II auf die gleiche Welle abgestimmt ist und dem Kreis I durch Absorption Energie entzieht. Diese etwas ungewöhnliche Schaltung gestattete eine äußerst feine und gleichmäßige Einstellung der Entdämpfung. Um Unstabilitäten zu vermeiden, waren beide Schwingkreise induktiv entkoppelt angeordnet (um 90° versetzt, Bild 1.71).
Die hohe Empfindlichkeit erreichte man durch Einfügung eines Generators (untere Röhre) in die Anodenstromzuführung [13], [14]. Die Überlagerung der Anodengleichspannung mit einer Wechselspannung von ca. 30 kHz sorgte für eine unhörbare periodische Unterbrechung der UKW-Schwingung. Eine Erklärung des UKW-Empfangs mit Pendelrückkopplung wird in [15] gegeben.
In dieser Schaltung bewährten sich die Röhrentypen VT 107 und VT 128 von TEKADE bzw. gasgefüllte Röhren vom Typ Universal A oder E der Firma Ultra (Dr. Nickel G.m.b.H.) [16].
Antennen
Sehr vorteilhaft für die Experimente an Antennen im Bereich der ultrakurzen Wellen (10 m bis 1 m) erwiesen sich dabei die handlichen Abmessungen der Reflektoren und Strahlerelemente, die sich zudem noch leicht und preiswert herstellen ließen. Als Antenne kam sowohl ein Dipol (gerader Draht von insgesamt ?/2-Länge) als auch jede andere Form zur Anwendung, wobei es gleichgültig war, ob die Ankopplung an den Schwingkreis induktiv, kapazitiv oder galvanisch erfolgte. Üblich war eine vertikale Polarisation der Antenne [7].
Reflektorantennen
1928 hatte man Versuche unternommen, die Ausstrahlung in eine bestimmte Richtung zu konzentrieren. Experimentell untersuchte man die Wirkungsweise des zylindrisch-parabolischen und des ebenen Reflektors in Abhängigkeit von deren Dimensionierung. Die parabolischen Reflektoren bestanden u.a. aus abgestimmten und parallel zum Sendedipol orientierten Drähten D, die untereinander mit dem Strahler (Dipol) gekoppelt waren. Die angeregten Reflektordrähte wurden zu Sekundärstrahlern. Diese Sekundärwellen überlagerten sich mit den vom Dipol abgestrahlten Schwingungen.
Durch eine Optimierung eines zylindrisch-parabolischen Reflektors (Öffnungsbreite des Reflektors = 1,5 A, Brennweite f/A = 0,27) erreichte G. Gresky vom PTI bei einer Wellenlänge von ca. 3 m eine Energiebündelung, die eine 12-fache Verstärkung ergab [17].
Erste Erkenntnisse über Reichweiten und Ausbreitung
Mit den ersten Reichweitenexperimenten, die man im Winter 1925/26 mit tönend modulierten Sendern (20 bis 30 W) in Jena und Umgebung durchführte, verfolgte man den Zweck, den Einfluß der Umgebung auf Sender und Empfänger zu untersuchen. Dabei zeigte sich zunächst, daß eine einigermaßen gleichmäßige Ausbreitung und gute Reichweite (max. 40 km [12]) nur zu erzielen war, wenn der Sender auf einer überragenden Bergkuppe nördlich von Jena zur Aufstellung kam.
Ohne die Zuschaltung eines NF-Verstärkers und bei Verzicht auf eine hoch angebrachte Antenne gelang es mühelos von Jena aus, über die Häusermassen hinweg in Richtung Süden 20 km zu überbrücken [8].
Nach Überwindung der größten Empfängerschwierigkeiten konnte im Verlauf des Jahres 1926 eine Telefonieverständigung bis auf 20 km erreicht werden. Trotz aller Verbesserungen befriedigte die Empfängerempfindlichkeit noch nicht. Erst mit der 1927 angewendeten Pendelrückkopplung [16] erreichte der Empfänger eine außerordentlich hohe Empfindlichkeit, mit der sich bisher erzielte Entfernungen vervielfachten bzw. die erforderlichen Sendeleistungen erheblich reduziert werden konnten. Beispielsweise erzielte man im Duplexbetrieb mit einer Sendeleistung unter 1 W eine Reichweite von 20 km [12]. Für die Überbrückung einer Entfernung von 90 km waren ohne Reflektoranordnung 1928 nur 5 bis 8 Watt erforderlich, für eine solche von 130 km etwa 10 Watt, wobei die Verbindung sowohl während des Tages wie auch in der Nacht sicher aufrecht erhalten werden konnte. Die größte erzielte Reichweite betrug etwas mehr als 200 km bei einer Sendeleistung von ca. 100 W mit normaler Dipolantenne (ohne Reflektor) [18].
Unterschiede in der Übertragung zwischen Tag und Nacht sowie Schwunderscheinungen konnten bei den untersuchten Entfernungen nicht festgestellt werden. Was die atmosphärischen Störungen betraf, so war ihre Intensität, verglichen mit denen, die bei Wellenlängen zwischen 20 und 30 m auftraten, beträchtlich geringer und nur sehr schwer feststellbar [8].
Die Industrie steigt ein
Für die Industrie, die sich mit der drahtlosen Nachrichtentechnik beschäftigte, war die Erforschung der Ausbreitungsgesetzmäßigkeiten von größtem Interesse, und so kam es 1928 zu einer Zusammenarbeit zwischen dem Institut von Professor Esau und der C. Lorenz AG. ("Lorenz"). Schon bei früheren Reichweitenversuchen mit Wellen zwischen 3 und 4 m hatte es sich herausgestellt, daß die Reichweiten mit der Höhe des Senders bzw. des Empfängers über dem Erdboden zunahmen, und zwar derart, daß die Annahme aufgestellt wurde, für die Reichweite sei in der Hauptsache die direkte, und nicht die am Erdboden entlang gehende Ausbreitung maßgebend. Wenn dem so war, mußte sich dies vorab abschätzen lassen.
Überlegungen in dieser Richtung, die Reichweite x bei direkter Sicht zu ermitteln, führten unter Berücksichtigung des Erdradius r (= 6,4 · 106 m) zu der einfachen Beziehung x = 3550 (h1 + h2) in m. Die Höhe des Senders P über dem Erdboden ist dabei h1 und die des Empfängers h2. Stehen z.B. Sender und Empfänger erhöht, so konnte durch die Addition beider Höhen die Reichweite bei direkter Strahlung dem Diagramm (Bild 1.10) entnommen werden [19].
Abhängigkeit der Reichweite der direkten Strahlung von der Höhe des Senders über dem Erdboden. Auf Anregung von A. Esau kam es deshalb im Sommer 1928 unter maßgebender Beteiligung von Lorenz zu Versuchen, die entscheidend für die nachfolgende Entwicklungsrichtung waren. Hierbei war vorgesehen, den Sender oder den Empfänger, oder auch beide, an erhöhten Punkten zu betreiben.
Flugzeugversuche
Die geplanten Ausbreitungsversuche, die zwischen einem Flugzeug (JunkersKabinen-Flugzeug Typ Ju F13) und einem festen Standort in Jena durchgeführt werden sollten, hatten so ihre Tücken und sorgten für Überraschungen. Bei der Ausrüstung für die Flugversuche kamen von Lorenz gebaute tragbare UKW-Sender und -Empfänger zum Einsatz, bei denen die HF-Teile über Kabel mit den Grundgeräten verbunden waren, Bild 1.11
Der Sender war für Telefonie (A3) und tönende Telegrafie (A2) eingerichtet. Die Schwingkreisinduktivität der Dreipunkt Kupferrohrbügel, der gleichzeitig als Sendeantenne fungierte. Die Schwingleistung bei 3 m Wellenlänge betrug ungefähr 1 bis 2 Watt. Der Empfänger beinhaltete ein Pendelfrequenz-Audion und einen 2-stufigen NF-Verstärker. Die Grundgeräte (Tragekoffer) enthielten außer den niederfrequenten Einrichtungen auch die Anodenund Heizbatterien.
Die Sendebaugruppe wurde außerhalb des Flugzeuges unterhalb des Ganzmetall(Wellblech-) Rumpfes befestigt, der Empfänger befand sich innerhalb der Kabine, da Abstimmung und Rückkopplung bedient werden mußten. Der Empfänger stand an einem Kabinenfenster, da der Schwingkreisbügel Antennenfunktion hatte.
Bei Sendebetrieb vom Flugzeug aus erzielte man bei einer Flughöhe von ca. 1200 m eine gute Verbindung bis zu einer Entfernung von 30 km. Sendete die Bodenstelle in Jena mit der gleichen Leistung von 1-2 Watt, konnte diese auf Grund der hochfrequenzmäßig sehr ungünstigen Empfangsanordnung nur bis 10 km gehört werden. Erst mit einem leistungsfähigen Sender (ca.70 W Strahlungsleistung mit abgestimmter Dipolantenne), der auf dem Fuchsturm in der Nähe von Jena stand, hatte man bei einer Flughöhe von 1000 m eine gute Verbindung bis 80 km, bei 100 km setzte der Empfang dann vollständig aus.
Empfangsprobleme ergaben sich zusätzlich durch die abschirmende Wirkung der Ganzmetallflügel der Tiefdeckerbauweise, weshalb auch die theoretisch erwarteten Reichweiten nicht erzielt werden konnten und je nach Stellung des Flugzeuges zum Sender im Nahbereich kein Empfang möglich war [19]. Da die Ergebnisse nicht befriedigten, kam es zu einer zweiten Versuchsreihe auf dem Brocken.
Brockenversuche
Der labormäßig aufgebaute, selbsterregte 200-W-Sender machte von einer Röhre RS229g Gebrauch, die mit einer Anodenwechselspannung (500 Hz) von 2000 V betrieben wurde. Der mit 500 Hz modulierte Sender arbeitete auf einen abgestimmten Vertikaldipol von 1,6 m Länge (Senderwellenlänge 3,2 m).
Der Sender, Bild 1.14, stand entweder auf dem Brocken in Bodennähe (a), auf dem Brockenturm (b) oder (c) auf dem Armleutberg (bei Wernigerode) auf einem 16 m hohen Turm. Der Empfänger, der hauptsächlich in den Zonen mit abgebeugter Strahlung mit Antennen betrieben wurde, befand sich auf dem nordöstlich vom Brocken befindlichen Gebiet (ca. 150m über N.N.). Das gewählte Gelände war ziemlich eben und ermöglichte direkte Sicht zum Brocken (Länge des direkten Strahls ca. 110km).
Der Empfänger war identisch mit dem Empfänger im Flugzeug. Es wurde entweder ohne externe Antenne, mit einer Horizontal-Antenne von 2,5 m Länge oder mit einer Vertikalantenne von ungefähr 8 m Länge empfangen.
Die systematisch durchgeführten Versuche ergaben diesmal eine ausreichende Übereinstimmung mit dem Diagramm Bild 1.10 bezüglich der Reichweite bei direkter Sicht. In diesem Bereich war die Empfangslautstärke fast konstant und nahm, sobald man in die Zone der abgebeugten Strahlung kam, sehr schnell bis auf Null ab.
Tabelle kommt hier
Ein sehr aussagekräftiges Experiment, bei dem die Sendeenergie stufenweise im Verhältnis 80 : 1 verändert wurde, zeigte sehr eindeutig, daß die Reichweite hauptsächlich vom direkten Strahl (optische Sicht) bestimmt wurde [19].
UKW auch für Luftfahrt brauchbar?
Etwa zum gleichen Zeitpunkt durchgeführte Untersuchungen der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt e.V. (DLV) bestätigten, daß für einen brauchbaren Empfang nur dann ausreichende Feldstärken vorhanden waren, wenn die gerade Verbindungslinie vom Sender zum Empfänger durch die Luft verlief. Die Grenze des Empfangs von Telegrafiezeichen wurde bei einer Entfernung von ca. 130 km erreicht (bei einer Flughöhe von 2620 m). Standen Sender und Empfänger auf dem Boden, so erhielt man nur eine Reichweite von 1 bis 2 km. Für die Flugversuche wurde ein kleiner Sender von Telefunken benutzt, der auf einem unterhalb des benutzten Doppeldeckers (Albatros L 74, Holzbauweise) angebrachten A/2-Dipol arbeitete.
Der Sender enthielt in der Sendeund Modulationsstufe (Heisingschaltung) je eine Empfängerröhre des Typs RE352 und konnte durch einen Röhrensummer mit 800 Hz moduliert werden. Die Antennenleistung des Senders betrug 1 W. Die Empfangsanlage bestand aus einem Dipol, der in einem Holzhäuschen am Rande des Flugplatzes Adlershof ausgespannt war und dem ein modifizierter Pendelfrequenz-Empfänger nachgeschaltet war. Auf den 3-stufigen NFVerstärker folgte eine Meßeinrichtung, die aus einer Gleichrichterstufe und einem Anzeigeinstrument bestand [20].
Da zur damaligen Zeit der NachrichtenFernverkehr im Liniendienst Entfernungen bis zu einigen hundert Kilometern zu überbrücken hatte, kam UKW für die Luftfahrt vorläufig nicht in Betracht. (A. Esau gab später im Zusammenhang mit einem Leitstrahlverfahren die Anwendung von UKW an.)
Literatur
[1] Börner, H.: UKW-Empfang mit Volks-empfänger-Röhren. FUNKGESCHICHTE
Nr. 123(1999), S. 20-25
[2] Hertz, H.: Untersuchungen über die Aus-breitung der elektrischen Kraft. Ges. Werke II. Leipzig: Barth, 2. Aufl. 1894
[3] Marconi, G.: Drahtlose Telegraphie. Jahr-buch der drahtlosen Telegraphie und Tele-phonie (Jb. d. dl. T. u. T.), Bd. 21 (1923) H. 2, S. 58 ff
[4] De Soto, C. B.: Two hundred meters and down. The American Radio Relay League (ARL), Inc. West Hartford, Conn., 1936
[5] Esau, A.: Kurze elektrische Wellen und ihre Bedeutung für die drahtlose Telegraphie. Telefunken-Zeitung (Tfk-Ztg.) Jg. 7 (1924)
Nr. 38, S. 5 ff.; auch: Rukop, H.: Neue Ergebnisse der draht-losen Telegraphie mit kurzen Wellen. Tfk-Ztg. Jg. 8 (1926) Nr. 42, S. 57 ff.
[6] Aigner, F.: Ist nach dem gegenwärtigen Stand von Wissenschaft und Technik die Konstruktion eines Fernsehers durchführ-bar? Jb. d. dl. T. u. T., Bd. 25 (1925) H. 2, S. 56 ff.
[7] Schröter, F.: Zur Frage des Ultrakurz-wellen-Rundfunks. Elektrische Nachrich-ten-Technik, Bd. 8 (1930) H. 10, S. 431 ff.
[8] Esau, A.: Versuche mit kurzen elektrischen Wellen. Elektrotechnische Zeitschrift (ETZ)Jg. 47 (1926) H. 11, S. 321
[9] Wechsung, H.: Röhrengenerator großer Leistung für sehr kurze Wellen. Jb. d. dt. T. u. T., Bd. 31 (1928) H. 6, S. 126 ff.
[10] Kühle, W. E.: Die Telefunken-Senderöh-ren, -Großverstärker- und –Gleichrichter-röhren. Tfk.-Ztg. 14 (1932) Nr. 61, S. 5 ff
[11] Cords, O.: Untersuchungen an einem Emp-fangsgerät für kurze Wellen. Jb. d. dl. T. u. T., Bd. 31 (1928) H. 1,3. 1 ff.
[12] Gerth, F.: Der derzeitige Stand der Ent-wicklung der ultrakurzen Wellen unter Berücksichtigung ihrer Verwendungs-möglichkeiten für Rundfunkzwecke. ENT Bd. 8 (1931) H. 1, S. 39 ff.
[13] Armstrong, E. H.: Some recent deve-lopments of regenerative Circuit. Proc. IRE - Vol. 10 (1922) Nr. 4, S. 244 und DRP 479265(1922)
[14] Bogner, G. : E. H. Armstrong, Teil III. FUNKGESCHICHTE Nr. 78 (1991), S. 6 ff.
[15] Walter, R. E.: UKW-Empfang mit Pendel-rückkopplung. FUNKGESCHICHTE Nr. 124(1999), S. 56-63
[16] Busse, E.: Ultrakurze Wellen. Funk-Bastler 5 (1928) H. 44, S. 687-689
[17] Gresky, G.: Die Wirkungsweise von Reflektoren bei kurzen elektrischen
Wellen. Jb. d. dl. T. u. T., Bd. 32 (1928) H. 5, S. 149 ff.
[18] Esau, A.: Reichweitenversuche mit der 3m-Welle. Funk-Bastler 5 (1928) H. 11, S. 161
[19] Gerth, F. und Scheppmann, W.: Unter-suchungen über die Ausbreitungsvorgänge ultrakurzer Wellen. Jb. d. dl. T. u. T., Bd. 33 (1929) H. 1,S. 23 ff.
[20] Faßbender, H. u. Kurlbaum, G.: Abhängig-keit der Reichweite sehr kurzer Wellen von der Höhe des Senders über der Erde. Jb. d. dl. T. u. T., Bd. 33 (1929) H. 2, S. 52 ff.