Die Entwicklung des UKW-Rundfunks Teil6 / Folge4
Teil 6 : Zeitraum 1934 -1940, Folge 4 -
Verstärkungsprobleme bei UKW - Ursachen und Gegenmaßnahmen
Ein Artikel von Gerhard Bogner, Neu-Ulm aus der Funkgeschichte Nr.142 /2002
Digitalisiert 01/2008 von Thomas Günzel
Zeitraum 1934 -1940
In der ersten Periode der Entwicklung der Elektronenröhre (ca. 1914-32) und deren Nutzung konnte man davon ausgehen, daß ein negativ gegen die Katode vorgespanntes Steuergitter keine Wirkleistung zur Steuerung des Elektronenstroms benötigte - die Röhre wirkte als Spannungsverstärker.
Beim Übergang zu immer höheren Frequenzen brachte 1933 eine grundlegende theoretische Arbeit von J. Müller, die das gesamte dynamische Verhalten von Dioden behandelte, neue Erkenntnisse. Darauf aufbauend zeigten weitere im Zeitraum 1934-37 durchgeführte theoretische und experimentelle Untersuchungen an gittergesteuerten Röhren im Inland (H. Rothe, J. Runge, H. Zuhrt u. a.) und Ausland (KB. Llewellyn, D.O. North u. a.), daß die Röhre, auch bei negativem Gitter, Wirkleistung zur Steuerung benötigte. Diese hauptsächlich mit der endlichen Laufzeit der Elektronen zusammenhängende Störerscheinung (F. Holborn, 1921) begrenzte die Verwendung der Röhre als Verstärker und Schwingungserzeuger bei höheren Frequenzen. Mit dieser elementaren Erkenntnis lief Anfang der 30er Jahre die systematische Entwicklung auf dem Gebiet der Höchstfrequenz-Elektronik an [139a] [139b] [148] [149].
Als zweiten wichtigen Störfaktor erkannten um 1936/37 M.J. O. Stautt und van der Ziel die wesentliche Bedeutung der Zuleitungsinduktivitäten auf das Frequenzverhalten der Röhre [130].
In Anbetracht der Wichtigkeit der Nutzung der ultrakurzen Wellen begann man die Entwicklung geeigneter Röhren auf zwei völlig getrennten Wegen voranzutreiben:
Die eine Richtung baute auf Erkenntnissen auf, die man ausgehend von den frühen Experimenten von H. Barkhausen und K. Kurz in den Jahren nach 1920 weiterverfolgte. Über die Bremsfeldröhre führte diese Entwicklung zu neuen Typen von Laufzeitröhren (Magnetron, Klystron u.a.), bei denen bewußt die Eigenschaft der Elektronenträgheit zur Erzeugung und Verstärkung von Höchst-frequenzen genutzt wurde. Wegen ihrer neuartigen Arbeitsweise erregten damals diese andersartigen Bauformen großes Aufsehen. Eine exzellente Darstellung dieser Entwicklung brachte Prof. Dr. H. Döring in der Zeitschrift Frequenz 43 (1998) H. 10 und H. 11-12.
In der anderen Richtung - der Intensitäts-steuerung des Elektronenstroms durch ein negativ vorgespanntes Gitter - verlief die Entwicklung weniger spektakulär. Diese zielte darauf ab, die vorhandene Röhrenkonstruktion so zu ändern, daß die störenden Auswirkungen (Steuerleistungsbedarf und Phasenverschiebung zwischen Gitterwechsel-spannung und Anodenwechselstrom) reduziert und damit die Frequenzgrenze hinausgeschoben werden konnte. Auf Grund ihrer preiswerten Herstellung (Glasausführung) verdrängten so zunehmend die Dezi-Trioden die unstabil arbeitenden Magnetrons.
Bis zu diesem Zeitpunkt waren jedoch noch gewaltige technologische Hürden zu überwinden. Konnte bei Langwellenbetrieb davon ausgegangen werden, daß die Kennwerte der Röhre (Steilheit, Innenwiderstand, Kapazität) als frequenzunabhängig angesehen werden, so bestimmte hingegen bei UKW die Frequenzabhängigkeit maßgeblich das Verhalten der Röhre.
Diese unangenehme Frequenzabhängigkeit der inten-sitäts(dichte)gesteuerten Röhren bei UKW wirkte sich vorrangig auf den Eingangs- aber auch auf den Ausgangswiderstand, die Anodenrückwirkung und damit letztlich auf die Verstärkung aus (wobei die Steilheit praktisch erst unterhalb von λ≈1m daran beteiligt war). Daneben spielte die Anpassung von Eingangs- und Ausgangskreis und das Röhrenrauschen - als dritter Störfaktor - eine immer größere Rolle.
Der Elektronenlaufeffekt
Die mit der Laufzeit der Elektronen im Zusammenhang stehenden störenden Erscheinungen erforderten eine neuartige Betrachtungsweise der physikalischen Zusammenhänge. Von entscheidender Wichtigkeit war dabei die Tatsache, daß die in den äußeren (Schwing-)Kreisen fließenden Wechselströme einer Röhre nicht immer mit dem Auftreffen von Elektronen auf eine im Entladungsraum befindliche Elektrode verbunden sind. Vielmehr können diese Ströme auch infolgeder zeitlichen Änderung der auf den Elektroden befindlichen Ladungen fließen.
Die Ladungen der z. B. im Gitter-Katodenraum befindlichen Elektronen (Raumladungswolke) erzeugen elektrische Felder, die ihrerseits auf den Elektroden (Kathode, Gitter) elektrische Ladungen durch Influenzwirkung binden. Ändern sich die im Raum befindlichen Ladungen in ihrer Lage, so ändern sich auch die elektrischen Felder und somit die auf den Elektroden gebundenen Ladungen, d. h. in den Zuleitungen fließt ein Strom.
Die Ladungsänderung leitet in diesem Fall die anliegende Gitterwechselspannung ein, die - auch bei negativ vorgespanntem Steuergitter - über das hochfrequente Wechselfeld einen Verschiebestrom (Begriff: I.C. Maxwell) bewirkt, dessen Fortsetzung in den Leitern (Außenkreis / z. B. Gitterkreis) als Influenzstrom bezeichnet wird. Bei verschwindend kleinen Elektronenlaufzeiten (bei X > 300 m) eilt dieser Influenzwechselstrom gegen die Steuergitter-Wechselspannung 90° vor. Da es sich hier um einen Blindstrom handelt, dessen Ursache die Gitter-Katodenkapazität ist, erfolgte die Steuerung bei den damaligen Röhren (1933/34) bis zu einer Frequenz von ca. 10 MHz (? = 30 m) praktisch leistungslos (Spannungsverstärkung).
Kam bei zunehmender Frequenz die Periodendauer in die Nähe der Zeitdauer, die Elektronen zum Durchlaufen des HF-Feldes der Gitter-Katodenstrecke benötigten, ist die Voreilung des Verschiebungsstromes kleiner als 90°, d. h. der Influenzwechselstrom hat einen ohmschen Wirkanteil, der in Phase mit der steuernden Gitterwechselspannung ist.
Dieser über den Eingangskreis fließende Wirk(Real)anteil des Influenzstromes bedämpft (belastet) - mit abnehmender Wellenlänge zunehmend - den steuernden Gitterkreis. Dies wirkt sich wie ein parallel zur Gitter-Katodenkapazität geschalteter ohmscher Widerstand aus (Bild 6.3.1).
Die Möglichkeit, durch Änderung der Bezugsebene (Basis) von Eingangs- und Ausgangskreis der Röhre den Eingangswiderstand zu erhöhen und gleichzeitig die Entkopplung zwischen Gitter und Anode zu verbessern, führte 1941/42 bei Telefunken auf dem Gebiet der Höchstfrequenzverstärker zum Übergang zur Kathodensteuerung (Gitterbasis-Schaltung "GBS") (M. Geiger, G. Marx, W. Kleen, I. Müller, K. Steimel) und damit zur Abkehr von der Gittersteuerung (Katodenbasisschaltung "KBS") [l54e].
Sowohl in der KBS wie auch in der GBS fließt über den Eingangskreis der Influenzstrom Iinf1-2 des Gitter-Katodenraumes, allerdings mit unterschiedlichen Auswirkungen. Im Gitter-Anodenraum erzeugt der Konvekti-onswechselstrom (HF-Komponente des Elektronenstromes) Ic bei Durchtritt durch die Gitterebene den Iinf2-3 im Ausgangskreis.
Katodenbasis-Schaltung
In der KBS kann dieser Influenzstrom Iinf2-3 des Ausgangskreises nur über den Eingangskreis zurückfließen. Bei langen Wellen ist der Influenzwechselstrom an Anode und Katode praktisch gleich dem Konvektionswechselstrom (Begriff: I.C. Maxwell) das heißt: Iinf1-2 = Iinf2-3 = Ic Da beide Influenzströme entgegengesetzte Richtung (s. Pfeile) haben (Phasenverschiebung 180°) heben sich diese auf. (Durch den Eingangskreis fließt lediglich ein Blindstrom.) Solange noch keine störenden Laufzeiteffekte auftraten, war deshalb die KBS wegen der leistungslosen Steuerung die bevorzugte Schaltung in der gesamten Verstärkertechnik.
Bei hohen Frequenzen nimmt hingegen der Kathodeninfluenzstrom (Itaf U2) ab, da ein großer Teil der Elektronen noch in der einmal eingeschlagenen Richtung fliegt, während das steuernde elektrische Wechselfeld bereits das Vorzeichen geändert hat. (Zweiter Störeffekt: Phasenverschiebung zwischen Gitterwechselspannung und Anodenwechselspannung.) Im Gitter-Anodenraum ist dagegen wegen der höheren Elektronenbeschleunigung der Laufzeiteffekt vernachlässigbar, d. h. die Verhältnisse sind wegen der vernachlässigbaren Raumladung praktisch unverändert. Die Summe beider Ströme hebt sich jetzt nicht mehr auf, sondern der Gitterinfluenzstrom erreicht beinahe den Wert des Anoden-influenzstromes.
Der Wirkanteil des Gitterinfluenzstromes belastet dann im Höchstfrequenzbereich den steuernden Kreis erheblich (Bei λ = 20 cm hat die Triode LD1 einen Eingangswiderstand von nur noch 30 Ω!) d. h. die Röhre benötigt Eingangsleistung zur Steuerung, weshalb ab ca. λ = 1 m von Leistungsverstärkung gesprochen werden mußte.
Der mit ansteigender Frequenz zunehmende Eingangsleistungsbedarf, der ab einer bestimmten Frequenz vom Ausgangskreis nicht mehr aufgebracht werden konnte, begrenzte in Verbindung mit der auftretenden Phasenverschiebung zwischen Gitterwechsel- Spannung und Anodenwechselstrom (>180° bzw. 360°) bei einem Dezimeteroszillator die maximale Einsatzfrequenz. Diese lag Anfang 1944 knapp über 3 GHz (λ≈9 cm) [154b].
Gitterbasis-Schaltung
Im Langwellenbereich ist bei der GBS hingegen Iinf 1-2 = Ic, der Eingangskreis ist durch den gesamten Konvektionsstrom belastet, weshalb diese Schaltung wegen des großen Verbrauchs von Steuerleistung ungünstig ist. Da der hohe Wechselstrom (Iinf2-3) hauptsächlich im Gitter-Anodenkreis (Ausgangskreis) fließt, dagegen der Wechselstrom im Gitter-Katodenkreis (W ].2) bei ansteigender Frequenz kleiner wird, eignet sich dieser Kreis besser als Eingangskreis im Gebiet der Dezimeterwellen [150] [154a] [154b] [154c] [154d].
Eine Reduzierung der Laufzeiteffekte ließ sich nur durch die Verringerung der Elektrodenabstände (vor allem zwischen Katode und Steuergitter), hohe Katodenstromdichten (mA/cm2) und möglichst hohe positive Be-triebs(Beschleunigungs-)spannungen erreichen [131].
Verluste durch Elektrodenzuleitungen
Wesentlichen Einfluß auf den Eingangswiderstand hatte vor allem das von Gitter- und Anodenstrom gemeinsam durchflossene Leitungsstück (Induktivität) von der Katode zum Sockelanschluß, das als unerwünschtes Koppelglied zwischen Eingangs- und Ausgangskreis fungierte. Der durch das Leitungsstück fließende Wechselstrom erzeugte, vor allem bei Röhren hoher Steilheit (= hohe Verstärkung) etwa der RENS1284, eine Wechselspannung, die über die Gitter-Katodenkapazität zu einem Gitterstrom mit Wirkanteil führte, der für den Eingangskreis eine zusätzliche Belastung (Bedämpfung) darstellte [130].
Eine weitgehende Beseitigung des Einflusses der Katodeninduktivität gelang zum einen durch einen geänderten Systemaufbau mit einer sehr kurzen, gut leitfähigen Verbindung Katode-Sockel und einem getrennt herausgeführten Bremsgitter (z.B. SF1A) oder durch die Anwendung der Gegentaktschaltung bzw. die Verwendung von Gegentaktröhren. Eine besonders preiswerte Verbesserung bot 1939 bzw. 1940 die Einführung weiterer Katodenanschlüsse (Tungsram, UK: SP4/U1 bzw. Philips: EF51). Zum anderen ließ sich durch eine entdämpfende Beschaltung außerhalb der Röhre der Eingangswiderstand erhöhen [151] [152] [153a] [153b].
Eine Verringerung des Eingangswiderstandes erfolgte dagegen bei Wellenlängen unterhalb von 2 = 3m durch dielektrische Verluste innerhalb der Röhre sowie durch das Sockelmaterial (Pressstoff). Durchgeführte Messungen des elektronischen Eingangswiderstandes im KW- und UKW-Bereich ergaben einen Anstieg mit dem Quadrat der Wellenlänge, je kürzer die Wellenlänge, desto größer ist die Bedämpfung des Gitterkreises [154a].
Darüber hinaus verhielt sich der Eingangswiderstand umgekehrt proportional der Steilheit, was den Bau von Röhren mit hohem Eingangswiderstand und großer Steilheit (Verstärkung) zusätzlich erschwerte.
Ausgangswiderstand
Im Ausgang der Röhre trat parallel zum Innenwiderstand ebenfalls ein zusätzlicher Dämpfungswiderstand auf, der jedoch ein Mehrfaches des Eingangswiderstandes (5-10fach) erreichte [132] [133a] [144].
Eine erste Erklärung dieses Effektes lieferten M.J. O. Strutt und A. van der Ziel 1935:
Infolge der Kapazitäten zwischen Anode und Bremsgitter, Anode und Schirmgitter sowie Anode und Außenmetallisierung kam es zu Wechselströmen, die durch die jeweiligen Zuleitungen direkt (oder über die Katodenverbindung) zum Chassis gelangten. Durch die induktive Kopplung dieser Leitungen mit der Katodenleitung (bzw. bei direkter Verbindung des Bremsgitters mit der Katode, wie bei der RENS 1284) stand ein Bruchteil der Anodenwechselspannung zwischen Katode und Chassis. Abhängig von der Steilheit wurde diese auch zwischen Katode und Steuergitter stehende geringe HF-Spannung verstärkt, aber phasenverschoben zur Anode geführt. Dies war gleichbedeutend mit einer zusätzlichen Dämpfung des Anodenkreises [133] [155].
Die doch beträchtliche Abnahme des Ausgangswiderstandes konnte bei den frühen UKW-Pentoden auf mehrere Ursachen zurückgeführt werden:
Bis herab zu λ ≈ 50 m machte sich die Stromverteilung zwischen Anode und Schirmgitter (Elektronenströmung) bemerkbar.
Zwischen λ ≈ 50 m und λ = 5 m wurde der Abfall des elektronischen Anteils wesentlich durch die Zuleitungsinduktivität bestimmt. - Bei λ < 5 m waren die Verluste in den Zuleitungen und Elektroden (Skineffekt, dielektrische Verluste) von ausschlaggebender Bedeutung [139b].
Entsprechend der viel höheren Elektronengeschwindigkeit im Steuergitter-Schirmgitter-(Anoden)raum hatte die Elektronenlaufzeit praktisch keinen Einfluß auf den Ausgangswiderstand [133a].
Verbesserungen brachten deshalb nur kurze und gut entkoppelte Elektronenzuleitungen sowie geringe dielektrische Verluste.
Störende Effekte der Zuleitungen
Bei sehr kurzen Wellen (um λ < 2 m) wurde durch die Zuleitungsinduktivitäten (Größenordnung 10-8 H) die gesamte im Innern der Röhre liegende Eingangskapazität Ce (bzw. Ausgangskapazität Ca) frequenzabhängig auf die äußeren Anschlüsse transformiert (Ce', Ca'). (Gleiches gilt bei Trioden auch für die Gitter-Anoden-Kapazität QJ. Dies führte zu breiten Resonanzerscheinungen, auf die man zufällig 1935 aufmerksam wurde [133a].
Durch die Serienschaltung von Ce (bzw. Ca) mit einer die Wirkung aller Zuleitungsimpedanzen erfassenden Induktivität Le (bzw. La) entstand ein Serienresonanzkreis (Saugkreis) zwischen den Anschlüssen für Steuergitter und Katode (bzw. Anode und Katode). Bei Röhren normaler Größe (z.B. AF7) konnte es deshalb zu einem Kurzschluß im Eingang (bzw. Ausgang) bei Resonanzwellenlängen zwischen 0,5 und 2 m kommen.
Bereits bei Annäherung an diese Wellenlängen war eine normale Rundfunkröhre bereits unterhalb von λ ≈ 5 m unbrauchbar, wenn sich durch zusätzliche Umwegleitungen (z.B. Wellenschalterverbindungen) die Resonanzstelle nach längeren Wellen hin verschob [130] [139b], siehe auch Bild des Rückumschlages (6.3.13c).
Anodenrückwirkung
Für die Empfangsverstärkung bei UKW (bis λ≈1m) war man wegen der besseren Entkopplung von Ein- und Ausgang praktisch auf Pentoden angewiesen. Bei abnehmender Wellenlänge machte sich jedoch die nicht mehr einwandfreie "Erdung" von Schirm- und Bremsgitter (SG, BG) infolge der Zuleitungsinduktivitäten von Lsg und Lbg nachteilig bemerkbar.
In Verbindung mit den Induktivitäten Lsg bzw. Lbg fließt beispielsweise über die Teilkapazitäten Schirmgitter-Anode (Csg-a) und Steuergitter-Schirmgitter (Cg-sg) ein gegenüber der Gitter-Anodenkapazität (Cg-a) um 180° phasenverschobener Zusatzstrom zum Steuergitter (G). Die Wirkung von Cg-a wird dadurch verkleinert bzw. kompensiert ("Selbstneutralisation") [139b] [155] [156].
Diese so genannte Selbstneutralisation wurde bei normalen HF-Pentoden bei ca. λ0 = 20 m (AF3) und bei der RV12P2000 bei ca. λ0 = 4m erreicht. Bei Übergang zu noch kürzeren Wellen verschlechterte sich die Neutralisation zusehends, was dazu führte, daß eine Röhre ab einer bestimmten Wellenlänge unbrauchbar wurde [139b] [151].
Durch Verkürzung der parallel verlaufenden Zuleitungsdrähte innerhalb der Röhre (bzw. durch räumlich getrennte Ausführungen) ließ sich die mit der Frequenz rasch zunehmende unerwünschte Kopplung zwischen Ausgang und Eingang reduzieren [133a] [155].
Ausgangskapazität
Die Ausgangskapazität der Röhre war gegeben durch die Kapazität zwischen Anode und allen übrigen Elektroden, die hochfrequenzmäßig mit der Katode verbunden waren [157]. Sowohl Eingangs- wie Ausgangskapazität erschienen bei abnehmender Wellenlänge (ab ca. λ ≤2 m) "transformiert" wirksam an den äußeren Anschlüssen, siehe Bild 6.3.11 [139b].
Röhren-Rauschwiderstand
Nach Einführung der Tetroden bzw. Pentoden und des Überlagerungsempfangs begann man die Technik beliebig hoher Verstärkung zu beherrschen. Die Grenze einer sinnvollen Verstärkung hing jedoch davon ab, welche kleinste Spannung am Eingang einer HF-Stufe noch verstärkt werden konnte, ohne im Kreis- oder Röhrenrauschen unterzugehen.
Nach grundlegenden Arbeiten (W. Schottky 1918, und H. Nyquist 1928) schenkte man, neben dem thermischen Rauschen von Verlustwiderständen von Schwingkreisen (Rauschquellen), ab etwa 1934 dem Röhrenrauschen immer größere Beachtung. Eine Minderung dieser Rauschstörung wurde vor allem auf KW/UKW immer wichtiger und auch lohnend, bestimmte diese doch maßgebend die Fernempfangstauglichkeit eines derartigen Empfängers.
Das Rauschen der Röhre hatte seine Ursache überwiegend in den kleinen Schwankungen der Katodenemission "Schrotrauschen" (W. Schottky u. E. Spenke) und wechselnder Stromverteilung zwischen den positiv vorgespannten Elektroden der Mehrgitterröhren (Tetrode, Pentode, Hexode, Oktode).
Um Berechnungen und Röhrenvergleiche anstellen zu können führte man den Begriff des äquivalenten Rauschwiderstandes (rä) ein. Der rä lieferte die gleiche Rauschspannung (EMK) wie ein normaler Widerstand anstelle der Gitter- Katodenstrecke der Röhre.
Wünschenswert war ein möglichst kleiner rä was jedoch im Widerspruch zu der Forderung nach einem hohen Eingangswiderstand und möglichst großer Steilheit stand. Eine günstige Stromverteilung zwischen Schirmgitter- und Anodenstrom erzielte man zum
einen durch die Einführung eines zusätzlichen Gitters ("Nullgitter") vor dem Schirmgitter, durch das der Elektronenstrom größtenteils am Schirmgitter vorbei geleitet werden konnte (Philips EF8). Zum anderen brachte eine sorgfaltige Bemessung des Schirmgitters (sehr dünner Gitterdraht, Anpassung des Windungsverlaufs an den des Steuergitters "veränderliche Steigung") den Erfolg (Telefunken: EF13). 1938 gelang es auch bei steilen Pentoden mit günstiger Stromverteilung auf einen Rauschwiderstand zu kommen, der deutlich unter 1 kΩ lag (AF100, EF14); Nachteil: geringer Eingangswiderstand.
Bedingt durch die geringe Konversionssteilheit lagen dagegen bei Mischröhren die Werte zwischen 50 und 100 kΩ! Die für eine gute Ton- und Bildübertragung nötigen hohen Übertragungsbandbreiten bewirkten einen weiteren Anstieg des störenden Rauschens und verschlechterten dadurch zusätzlich das Verhältnis von Nutz- und Rauschspannung. Dieser Sachverhalt erforderte für KW-Fernempfang ß < 20 m) bzw. UKW-Bezirksempfang eine rauscharme Vorstufe [145] [159] [205c].
Anpassung
Im KW- und besonders im UKW-Bereich war die Verstärkung gegenüber dem Lang-und Mittelwellenbereich bei weitem nicht so groß, da sich bei UKW bedeutend kleinere Eingangs- und Ausgangswiderstände einstellten. Dies führte zu einer sehr großen Bedämpfung bei den dazu parallel liegenden Schwingkreisen, deren Resonanzwiderstände deshalb nicht über 5-20 kΩ liegen mußten. Die höchste Verstärkung erhielt man aus diesem Grund nur, wenn der Eingang einer Röhre an den Ausgang der vorhergehenden transformatorisch angepaßt wurde [151] [154a].
Breitbandverstärkung
Neue zivile und militärische Anwendungen (Fernsehen, Radar) erforderten die Verstärkung breiter Frequenzbänder, die bis zu einigen MHz umfassen konnten. Diese großen Bandbreiten ließen sich sowohl bei der sogenannten Direktverstärkung (z.B. Mess-, Video-, ,,Bild"-Verstärker) wie auch bei der Trägerfrequenzverstärkung (z.B. Antennen-, Bild-Zf-Verstärker) nur mit kleinen Außenwiderständen erreichen. Die Verstärkung breiter Frequenzbänder hing, wie F. Schröter 1934 feststellte, von dem S/C-Verhältnis ab. Dieses Verhältnis (mA/V : pf) wurde maßgebend durch die Röhrenkennwerte Steilheit (S) und die Ausgangskapazität (Ca'), die Eingangskapazität der folgenden Stufe (Ce') und die unvermeidliche Schaltkapazität (Cs) bestimmt. Das S/C-Verhältnis war um so größer, je kleiner der Abstand Gitter-Katode war bzw. je kleiner die Katodenoberfläche war, mit der die betreffende Steilheit erreicht wurde [161].
Da eine Röhre möglichst viel verstärken, aber wenig rauschen sollte, stellten 1938 Lösungen wie die EF14 (entwickelt für Trägerfrequenzen bis 30 MHz) einen geglückten Kompromiß zwischen den notwendigen HF-Eigenschaften und den damaligen Fabrikationsschwierigkeiten (EF50, LV1) dar.
Die erzielbaren Fortschritte auf dem Gebiet der HF-Röhren hingen Anfang der 30er Jahre im hohen Maß von einer geeigneten KW/UKW-Messtechnik ab, die größten teils erst noch erarbeitet werden mußte.
Literatur
- [147b] Statz, W. u. Wiegand: Bemerkenswertes aus d. Besprechung Philips, Telefunken und Osram bei Philips in Eindhoven am 23. u. 24.6.1936; Notiz RfEEnt. vom 26.6.1936.
- [147c] o. Verf.: Tubes Departement Index, electro-nics, Vol. XIII (1940), Dez., S. 61 f.
- [148] Zuhrt, H.: Die Verstärkung einer Dreielektrodenröhre mit ebenen Elektroden bei ultrahohen Frequenzen, Teil I und II, H. u. E., Bd. 47 (1936), H. 2, S 58-64 u. H. 3, S. 79-88.
- [149] Bakker, C.J.: Einige Eigenschaften von Empfängerröhren bei kurzen Wellen. Philips T. Rdsch, 1. Jg. (1936), H. 6, S. 171-176.
- [150] Zuhrt, H.: Die Leistungsverstärkung bei ultrahohen Frequenzen u. die Grenze der Rückkopplungsschwingungen. H. u. E., Bd. 49 (1937), H. 3, S. 73-87.
- [151] Strutt, M.J.O. u. Ziel, A. van der: Einfache Schaltungsmaßnahmen zur Verbesserung der Eigenschaften von HF-Verstärkerröhren im KW-Gebiet. ENT, Bd. 13 (1936), H. 8, S. 260-268.
- [152] Strutt, M.J.O.: [144], S. 118-125.
- [153a] Zakariäs, J.: New UHF-Pentode (Valve with 3 cathode leadsfor ultra-short waves); Tungsram Forschungslaboratorium, Ungarn. Wireless World, 16. März 1939.
- [153b] Strutt, M.J. u. Ziel, A. van der: Eine regelbare Meterwellenverstärker-Röhre mit doppelter Kathodenleitung. Philips T Rdsch., 5. Jg. (1940), H. 12, S. 365-370.
- [154a] Rothe, H.: Das Verhalten von Elektronenröhren bei hohen Frequenzen. Tfk-Röhre, 1937, H. 9, S. 33-65.
- [154b] Hülster, F., Koopmann, K.: Die Triode bei kürzesten Wellen. Telefunken: Rö E-Bericht Nr. 136, Mai 1944.
- [154c] Gundlach, F.W.: Die Triode und ihre Anwendung bei höchsten Frequenzen. ETZ, Jg. 69 (1948), H. 6, S. 185-191.
- [l54d] Kleen, W.: Mikrowellen Elektronik I, Grundlagen. S. 28-37, S. Hirtzel Verlag, Stuttgart, 1952.
- [l54e] Müller, J.: Empfindlichkeit Kathodengesteuerter Röhren. Telefunken: Rö E-Bericht Nr. 19, Mai 1941.
Bilder und Bildunterschriften müssen noch verarbeitet werden
Bild 6.3.1: KW- / UKW-Verstärkerstufe. Die durch ohmsche Ersatzwiderstände dargestellte Röhrendämpfungen - innerer Röhreneingangswiderstand Re und innerer Röhrenausgangswiderstand Ra - wirken parallel zu den äußeren Kreisen.
Bild 6.3.2: Entstehung eines Influenz-Stromes durch die Bewegung einer Elektronenwolke in einer Diode. (Die Verhältnisse entsprechen dem Katoden-Gitterraum einer Triode).
Bild 6.3.3: Verlauf von Gitterwechselstrom und Gitterwechselspannung bei Laufzeiteinfluss (Phasen Verschiebung) = Wirkanteil, der in Phase mit der Gitterwechselspannung ist (Vektordarstellung)
Bild 6.3.4: Influenzströme in verschiedenen Triodenschaltungen:
Gitterbasis-Schaltung "GBS"
Katodenbasis-Schaltung "KBS"
Bild 6.3.5: Vergleich der Prinzipschemen von
Katodenbasis- und Gitterbasisschaltung:
a) vereinfachte Langwellenersatzdarstellung mit konzentrierten Kapazitäten und Induktivitäten.
b) vereinfachte Dezimeter-Ersatzschaltung (Lecherleitung, Hohlrohrleitung, Topfkreis)
Fl = Abstimmschieber des Kathoden-Gitter-Kreises bzw. des Gitter-Anodenkreises.
Bild 6.3.6: Das Entstehen von unerwünschten Kopplungen in einer Pentode,
a) Kopplung durch ein gemeinsames Leitungsstück vom Gitter- und Anodenkreis,
c) Entkopplung durch getrennt herausgeführtes Bremsgitter.
Bild 6.3.7.1: Doppelt herausgeführter Katodenan-schluss und getrennt herausgeführtes Bremsgitter bei der Philips-Allglasröhre EF 51 (1940)
Bild 6.3.7.2: UKW-Pentode Tungsram (UK), Type SP4/U1 mit 2 Domkappen für Steuergitter und Katode (Gitterkreis) einem Katodenan-schluss für die Anodenkreisrückfüh rung, sowie einen weiteren zur Erdung (1939).
Bild 6.3.8: Messung des Eingangswiderstandes Rg verschiedener Röhren als Funktion der Frequenz bzw. der Wellenlänge (jeweils am normalen Arbeitspunkt
Bild 6.3.10: Abhängigkeit des inneren Röhrenausgangswiderstandes ra (Parallelersatzwiderstand zwischen Anode und Katode) von der Wellenlänge für einige HF-Pentoden.
Bild 6.3.10: Verlauf der Rundfunkröhrenentwicklung zwischen 1933 und 1937 am Beispiel der Mischröhre ACH1, AK1, EK2 undECH11. Die langen dünnen eng beieinander liegenden und parallel geführten Elektrodenzuleitungen des Quetschfußaufbaus setzten mit abnehmender Wellenlänge den Ausgangswiderstand erheblich herab.
Bild 6.3.11: Verlauf der an den Sockelanschlüssen wirksamen Eingangs- und Ausgangskapazitäten Ce (Ce') und Ca (Ca') der Röhre RV12P2000 im UKW-Gebiet.
Bild 6.3.12: Schaltung (a) und Ersatzschaltung (b) für den Eingangs- bzw. Ausgangsblindwiderstand einer Pentode im UKW-Bereich.
Die Ersatzschaltung zeigt jeweils für den Röhreneingang (bzw. Ausgang) die Serienschaltung der Kapazität Ce (bzw. Ca mit der Wirkung aller Zuleitungsinduktivitäten erfassendnen Induktivität Le (bzw. La, die zu Serienresonanzerscheinungen führen können.
Bild 6.3.13a: Ersatzschaltbild einer Pentode zur Darstellung des Einflusses der Schirmgitter- und Bremsgitter-Zuleitungsinduktivitäten und der Teilkapazitäten auf die Anodenrückwirkung
Bild 6.3.13b: Abhängigkeit der Gitter-Anodenkapazität Ca'g von der Betriebswellenlänge am Beispiel der RV12P2000. (Bei Ca'g = 0 wird bei λ ≈ 4m Selbstneutralisation erreicht.)
Bild 6.3.13c: Die ungünstig langen V-förmigen Kontaktfedern des Topfsockels (rechte Vergrößerung: Feder aufgebogen, rechts Original), welche zu den Zuleitungsinduktivitäten zu rechnen waren, verhinderten zum Teil die Nutzung der Vorteile (verkürzte Elektrodenzuleitung), welche die kleinere Bauform (z.B. AF7) bei UKW-Anwendungen bot.
Bild 6.3.14: Röhreneingangskapazität.
a) Zusammensetzung der statischen Kapazität Ceo aus einzelnen Teilkapazitäten (Röhre nicht geheizt). Die Raumladungskapazität Cr wird durch die Kapazität zwischen dem Steuergitter und der zwischen Gitter und Katode befindlichen Raumladungswolke gebildet. Sie vergrößert die statische Kapazität Ceo und verändert diese bei Regelung.
Bild 6.3.15: Zusammensetzung der statischen Röhrenausgangskapazität aus einzelnen Teilkapazitäten
Bild 6.3.16: Die hochfrequenten Rauschquellen einer UKW-Eingangsstufe dargestellt durch Ersatzwiderstände
Bild 6.3.17: Abhängigkeit der Verstärkung bei UKW von der Wellenlänge für einige HF-Pentoden bei Anpassung des Ausgangskreises der Stufe I an den Eingangskreis der Stufe II.
Tabelle 1: Rauschwiderstände einiger Pentoden *) als Triode geschaltet
Bild 6.3.18: Wirk- und Blindwiderstände einer Breitbandverstärkerstufe.
Tabelle 2: S/C-Verhältnis einiger Röhren im Vergleich.